"Der Netzausbau kann offensichtlich nicht Schritt halten mit den Anforderungen der Landwirte. Die Unzufriedenheit der Landwirte mit der Internetversorgung ist gewachsen."
Interview mit Dr. Peter Pacher, Deutscher Bauernverband e.V.

Hierzu wollten wir von 5G-Anbieter.info im Interview mit Dr. Peter Pascher vom DBV genauer wissen, wie dieser den derzeitigen Ausbau sowie Entwicklung des Mobilfunks bewertet und seine Mitglieder bei der Digitalisierung der Landwirtschaft unter die Arme greift.
Auch kam darin das Diskussionspapier "Flächendeckende Versorgung mit 5G-Mobilfunk in Deutschland" zu Sprache, welches u.a. vom Bauernverband mitinitiiert wurde. Ebenso warfen wir zusammen einen Blick auf das „Konjunkturbarometer Agrar“, welches die Nöte, Ängste, Wünsche sowie Hoffnungen der landwirtschaftlichen Betriebe widerspiegeln.
Erfahren Sie zudem, warum „wir als Landwirtschaft ein Kompetenzzentrum Landwirtschaft 4.0“ brauchen und ob der Mensch der Zukunft in der digitalen Land- & Viehwirtschaft überhaupt noch eine Rolle spielt.
Dr. Peter Pascher: Der Deutschen Bauernverband (DBV) ist die Interessenvertretung der Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland. Mitglieder des DBV sind 18 Landesbauernverbände, über die 90 Prozent der knapp 300.000 landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland freiwillig Mitglied sind. Während in den Landes-, Bezirks-, Regional- und Kreisverbänden die einzelbetriebliche Beratungsarbeit vor allem in Rechts-, Sozial- und Steuerfragen im Vordergrund steht, ist der DBV ausschließlich als politischer Interessenverband auf Bundes-, aber auch auf EU-Ebene tätig. Zu seinen Aufgaben zählt auch, die Hemmnisse auf dem Weg der weiteren Digitalisierung der Landwirtschaft aus dem Weg räumen zu helfen. Für diesen Politikbereich und Grundsatzfragen der ländlichen Entwicklung bin ich in der DBV-Geschäftsstelle verantwortlich. Studiert und promoviert habe ich im Bereich Agrarwissenschaften mit Schwerpunkt Ökonomie.
Dr. Peter Pascher: Wenn heute bereits 82 Prozent der Landwirte Hightech-Landmaschinen, Agrar-Apps, Robotik oder Drohnen einsetzen, dann zeigt das, dass die Einsatzmöglichkeiten digitaler Techniken in der Landwirtschaft sehr vielfältig sind. Das wiederum hat damit zu tun, dass wir es mit Boden, Wasser, Luft, Wetter und Tieren zu tun haben, wo ein Mehr an Wissen schnell die Ressourcen- und Klimaeffizienz verbessern sowie das nachhaltige Wohl der Nutztiere sichern kann. Der Umgang mit Natur und Tieren unterscheidet die Landwirtschaft von geschlossenen Produktionsprozessen in Industriebetrieben, wo ein Stoff „vorne reingeht“ und „hinten“ in gasförmiger, flüssiger und/oder fester Form wieder „rauskommt“. Die Bitkom-DBV-Studie hat vor allem deutlich gemacht, dass bei allem bereits heute stattfindendem Technikeinsatz die Potentiale der Digitalisierung in der Landwirtschaft noch groß sind.
Dr. Peter Pascher: Die Landwirte in Deutschland sehen in der Digitalisierung in der großen Mehrheit eine Chance, beklagen aber unter den TOP 3-Hemmnissen hohe Investitionskosten und eine unzureichende Internetversorgung. Dies ist das Ergebnis des Konjunkturbarometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes aus Juni 2020. Etwa die Hälfte der Landwirte (53 Prozent) sehen „hohe Investitionskosten“ als größtes Hemmnis für die Digitalisierung in der Landwirtschaft. Gleich an zweiter Stelle wird eine unzureichende Internetversorgung genannt (46 Prozent), 2016 lag der Anteil noch bei 39 Prozent. Der Netzausbau kann offensichtlich nicht Schritt halten mit den Anforderungen der Landwirte. Die Unzufriedenheit der Landwirte mit der Internetversorgung ist gewachsen. Angesichts der rasanten Entwicklungen in der Sensortechnik und bei der Künstlichen Intelligenz (KI), zeichnen sich vielfältige Use Cases ab, die eine flächendeckende 5G-Versorgung voraussetzen. Dafür müssen aber bereits heute die politischen Entscheidungen getroffen werden.
Dr. Peter Pascher: Eine flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigem Internet hat das Potenzial, Standortnachteile und große Entfernungen auszugleichen. Der DBV fordert zusammen mit dem Deutschen Landkreistag (DLT), dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) bereits seit geraumer Zeit einen „Masterplan“ zur flächendeckenden Internetversorgung auf Basis von Glasfaser- und 5G-Mobilfunktechnologie. Jedoch tun sich Politik und Mobilfunkbetreiber schwer, dieser Forderung nachzukommen. Unsere gemeinsame Verbändeforderung jedoch, wirtschaftlich nicht so leicht erschließbare Gebiete im Rahmen einer Negativ-Versteigerung mit schneller Mobilfunk-Technologie zu versorgen, findet immer mehr Anklang, so auch vom Grundsatz her in der Mobilfunkstrategie der Bundesregierung von November 2019 bzw. bei den Ergebnissen des Mobilfunkgipfels vom 16. Juni diesen Jahres.
Dr. Peter Pascher: Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch sind Datensicherheit und Datenhoheit in der Landwirtschaft wichtige Themen. Während bei der Datensicherheit vor allem wichtige Regeln im Umgang mit Daten und ihrer Sicherung zu beherzigen sind, setzen wir beim Thema Datenhoheit auf Vereinbarungen der Wirtschaft, und nicht auf staatliche Regulierung. Dazu haben wir als DBV zusammen mit Verbänden der Hersteller, Händler und Lohnunternehmen/Maschinenringe Anfang 2018 eine Branchenempfehlung entwickelt, nach der die Transparenz über erfasste Daten, ihre Verarbeitung und Nutzung von allen Wirtschaftsbeteiligten gewährleistet werden soll. Die Einhaltung der vereinbarten Transparenzregeln ist eine wichtige Basis, um weiterhin vertrauensvolle Geschäfte zu tätigen. Nach aktuellen Ergebnissen aus dem Konjunkturbarometer aus Juni 2020 haben die Sorgen der Landwirte um die „IT-Sicherheit und Datensicherheit“ (21 Prozent, 2016: 41 Prozent) sowie „um den Verlust der Hoheit über die eigenen Daten“ (19 Prozent, 2016: 31 Prozent) allerdings deutlich abgenommen.
Dr. Peter Pascher: Ganz wesentlich auf dem weiteren Weg der Digitalisierung der Landwirtschaft ist eine flächendeckende hinreichende digitale Infrastruktur auf Basis von Glaserfaser- und 5G-Mobilfunktechnik. Handlungsbedarf sehen wir vor allem aber auch bei der Gewährleistung eines kostenfreien, vollständigen, zeitnahen Zugangs zu Open Data in einheitlichen, maschinenlesbaren und praxistauglichen Datenformaten nach gängigen interoperablen Standards in den Bereichen Kataster- und bodenkundliche Geodaten sowie bei Betriebsmitteln in den Bereichen Pflanzenschutzmittel, Sorten, aber auch Dünge-/Futtermittel und Tierarzneimittel, und zwar über ein dienstebasiertes Datenportal. Auch die Nutzbarmachung der Daten des Satellitensystems Copernikus ist ein wichtiger Schritt auf dem weiteren Weg der Digitalisierung der Landwirtschaft. Um die mannigfachen, digitalen Weiterentwicklungen in der Landwirtschaft zu koordinieren und Synergieeffekte zu nutzen, brauchen wir als Landwirtschaft ein Kompetenzzentrum Landwirtschaft 4.0.
Dr. Peter Pascher: Die Chancen stehen gut, dass digitale Techniken in einigen Jahren der derzeit kritischen Diskussion über moderne Landwirtschaft und damit verbunden der staatlichen Regulierungswut mit hohem bürokratischem Aufwand für die Landwirte ein Ende setzen. Ähnlich wie beim Fußball der Videobeweis, werden digitalen Techniken und nicht mehr Vermutungen und Meinungen maßgebend sein, was wirklich im Boden passiert, wie es um die Kulturpflanzen fördernden und schädigende Insekten steht oder wie das Tierwohl messbar und nachhaltig gewährleistet werden kann. Anders als möglicherweise in anderen Wirtschaftsbereichen, wird der Faktor Mensch in der Land- und Viehwirtschaft nicht überflüssig werden. Da wir es mit Natur und Tieren zu tun haben, wird weiter das „Auge der Herrn“ maßgebend für wirtschaftlichen Erfolg, den Schutz von Biodiversität oder das Wohlergehen der landwirtschaftlichen Nutztiere sein. Fehlerhafte Algorithmen werden schnell entlarvt.