"Die Mobilfunkeräte- und Chipsatzhersteller haben kein Interesse daran, für Broadcast andere Technologien in ihren Geräten und Chipsätzen zu verwenden."
Interview mit Thomas Janner von Rohde & Schwarz zu den Projekten "5G-Today" und "5G Media2Go"

Der dahinter stehende Firmenverbund von Rohde & Schwarz, Deutsche Telekom, KATHREIN, SWR, Porsche, TU Braunschweig usw., konzentriert sich in seiner Arbeit auf die Weiterentwicklung der im ersten Projekt gewonnen Erkenntnisse zum Senden und Empfangen von Inhalten mittels 5G Broadcasting. Allerdings geht man hier noch ein Stück weiter und bezieht mobile Empfangsgeräte, z.B. im Auto, mit ein. Aber auch die „ … Realisierung eines auf geo-referenzierten Empfehlungen basierenden Mediendienstes („Travelguide“) … “ ist ein Standbein der Forschung.
5G-Anbieter.info bekam die Möglichkeit, mit Herr Thomas Janner von Rohde & Schwarz über die beiden Forschungsprojekte zu sprechen. Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden? Wie beurteilt er die beiden Projekte hinsichtlich technischer Umsetzung, Zielsetzung, 5G-Broadcasting allgemein u.v.m.?
Herr Janner: Mein Name ist Thomas Janner. Ich leite im Fachgebiet „Broadcast and Amplifier Systems“ das Produktmanagement für Broadcast Systems und das Entwicklungsteam „Signalverarbeitung“. Mitarbeiter aus diesem Fachgebiet liefern die Entwicklungsbeiträge von R&S zu beiden Projekten.
Herr Janner: R&S hat für das 5G-Today Projekt FeMBMS wie in 3GPP Rel-14 standardisiert als zusätzlichen Übertragungsstandard in seine bestehende terrestrische Senderfamilie integriert. In Kooperation mit dem Institut für Nachrichtentechnik der TU Braunschweig wurde FeMBMS für den Modulator im Sender entwickelt. Darüber hinaus stellte die TU Braunschweig auch einen SDR-Empfänger (Software Defined Radio) zur Verfügung. Zusätzlich hat R&S eine Netzwerkkomponente entwickelt, die die Medieninhalte vom Inhalteanbieter übernimmt und das Aussenden über mehrere Sender vorbereitet, die Sender entsprechend konfiguriert und die Daten an die Sender verteilt.
Die Netzwerkkomponente, der Sender und der Empfänger wurden erst im Labor aufgebaut und ausgiebig inklusive verschiedener Kanalsimulationen getestet. Danach wurden im 5G-Today Projekt zwei Sender auf den Sendestationen Wendelstein und Ismaning des Bayerischen Rundfunks aufgestellt. In Ismaning wurde von der Firma KATHREIN zusätzlich eine neuentwickelte Antenne angebracht. Für die Messungen im Feld wurde von KATHREIN eine Messoftware für FeMBMS entwickelt.
Die Messungen im Feld beim 5G-Today Projekt wurden zum Zwecke der Untersuchung des mobilen Empfangs auf Smartphones im Außenbereich und im Fahrzeug durchgeführt. Dazu wurde versucht, die Empfangsperformance eines Smartphones möglichst gut nachzustellen um realistische Messergebnisse zu erzeugen.
Das 5G Media2Go Projekt wurde zeitlich nach dem Ende des 5G-Today Projekt gestartet und basiert hinsichtlich der FeMBS-Ausstrahlung zunächst auf der gleichen technischen Grundlage. Mittlerweile wurde der FeMBMS-Standard in 3GPP Rel-16 erweitert und ist bereits im SDR-Empfänger der TU Braunschweig sowie in den R&S-Sendern umgesetzt. Da eine der Erweiterungen insbesondere den mobilen Empfang bei hohen Geschwindigkeiten adressiert, wird die Sendekonfiguration im 5G Media2Go Projekt zum späteren Zeitpunkt auf diesen Modus umgestellt werden.

5G Media 2 go SWR Broadcast Projekt 2020 | © SWR/Patricia Neligan
Herr Janner: Die Besonderheit an sich ist der neue Übertragungsstandard, der es erlaubt, lineare Medieninhalte auf 3GPP-basierenden Empfangsgeräten wie Smartphones oder Infotainment-Systemen in Fahrzeugen zukünftig empfangen zu können. Ein 5G-Broadcast Netz basiert komplett auf IP-Protokollen. Das trifft sowohl für die Übergabe der Medieninhalte an die Netzwerkkomponente, als auch für die Anbindung der Sender an die Netzwerkkomponente zu. Die Medieninhalte werden in beiden Projekten als Transportstream over IP zugespielt. Im weiteren Verlauf des 5G Media2Go Projektes werden gegebenenfalls auch noch im Mobilfunk üblichere Protokolle wie DASH oder HLS verwendet werden.
Herr Janner: Das 5G-Today Projekt konnte die Eignung von 5G Broadcast für den Empfang von mobilen Endgeräten grundsätzlich nachweisen. Aufgrund der deutlich schlechteren Empfangsperformance von mobilen Endgeräten im Vergleich zu herkömmlichem, stationärem Rundfunkempfang mit Dach- oder Zimmerantenne, ist eine Ausstrahlung mit höherer Robustheit notwendig.
Im 5G Media2Go Projekt werden derzeit noch stationäre Messungen zur Analyse des Versorgungsgebietes durchgeführt. Erst danach werden die Messungen zum eigentlichen Projektziel, die Übertragung von linearen Medieninhalten ins Fahrzeug, durchgeführt werden.
Herr Janner: Zwei Hauptaspekte der Verbreitung von Medieninhalten über 5G-Broadcast sind die Möglichkeiten der Ausstrahlung free-to-air wie im klassischen Rundfunk und die Möglichkeiten des Empfangs ohne Nutzung einer SIM-Karte. Das bedeutet, dass die Inhalte ohne Nutzeranforderung ausgesendet werden und sie jeder anonym empfangen kann.
Herr Janner: Warum kann ich heute mit meinem Smartphone kein DAB- oder DVB-T2-Signal empfangen, obwohl ich mich in einem entsprechenden Versorgungsgebiet bewege? Weil sich, mit Ausnahme von WLAN, ausschließlich 3GPP-kompatible Empfangstechnik in meinem Smartphone befindet. Und das wird nach menschlichem Ermessen auch immer so bleiben. Die Mobilfunkindustrie, insbesondere die Geräte- und Chipsatzhersteller, haben kein Interesse daran, ihre Produkte mit zusätzlichen Bauteilen oder Funktionen zu erweitern, die nicht von 3GPP definiert sind. Anders als die Rundfunkindustrie, hat es die Mobilfunkindustrie geschafft, einen weltweiten Standard zu benutzen. Dies reduziert Herstellkosten, weil ein und dieselbe Hardware auf der ganzen Welt verwendet werden kann.
Trotzdem sehe ich 5G Broadcast nicht in Konkurrenz zur bestehenden klassischen Rundfunkausstrahlung, sondern als Ergänzung für den mobilen Empfang.
Herr Janner: In Ergänzung zu meiner Antwort auf die letzte Frage, muss man auch sehen, dass bei Einführung der genannten Standards für mobiles TV die Endgeräte und vor allem die Displays der Endgeräte keinen wirklichen Genuss der Inhalte zugelassen haben. Dafür bieten moderne Smartphones natürlich viel bessere Voraussetzungen.
Der wichtigste Erfolgsfaktor wird aber das Angebot der Medieninhalte sein. Es wird spezielle Formate und Programminhalte für das Konsumieren auf mobilen Endgeräten geben müssen, die mobiles TV richtig attraktiv machen.
Herr Janner: Die Entscheidung über das zukünftige Vorhandensein der Empfangstechnologie in mobilen Endgeräten fällt nicht aufgrund von Feldversuchen und Forschungsprojekten. Diese sind notwendig, um die Technologie zu überprüfen und natürlich auch, um Aufmerksamkeit dafür zu erzeugen. Zur wirklichen Umsetzung sind valide Business-Modelle notwendig, die einen ganzen Industriezweig überzeugen.
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- Zusammenfassung
Sender SWR und Portraitbild: Thomas Janner, Rohde & Schwarz - © mit freundlicher Genehmigung Thomas Janner, Rohde & Schwarz